Text (und Anmerkungen) "Datensammler, Fake News und Lobbykratie - die Zusammenhänge" 

In den Anfängen der Digitalisierung wurden Computer unvernetzt als Einzelplatzrechner benutzt. Die Ausbreitung des Internets in den Neunzigerjahren erlaubte die weltweite Vernetzung von vielen Computern. Ursprünglich diente das Internet der nicht-kommerziellen Nutzung. Die Benutzer teilten Software und Informationen. Die Open-Source-Bewegung entstand, das gemeinschaftliche Projekt Wikipedia wurde ins Leben gerufen. Nach der Jahrtausendwende vervielfachten sich die Geräte im Internet massiv dank Smartphones, mit welchen die Menschen unterwegs über Mobilfunkantennen miteinander kommunizieren können. Unter «Internet of Things» versteht man die Anbindung vieler Geräte ans Internet: Thermostaten, Stereoanlagen, Smart-TVs, Lampen, Pflanzenbewässerungsanlagen. Diese massive Ausbreitung des Internets führte zur kommerziellen Nutzung. Vier globale Konzerne, gemäss ihren Anfangsbuchstaben GAFA genannt, dominieren heute die Digitalisierung. Google kennt dank der gleichnamigen Suchmaschine sowie den Android-Smartphones die Interessen und Standorte von Milliarden von Menschen. Amazon ist der grösste Detailhandler und kennt das Konsumverhalten der halben Welt. Facebook kennt dank dem gleichnamigen sozialen Netzwerk sowie WhatsApp und Instagram die Freundeskreise und persönlichen Fotos eines Grossteils der Menschheit. Apple kann sich dank einer breiten Produktpalette ein sehr genaues Bild der Kundschaft machen.
[Quellen: "Übermacht im Netz", Ingrid Brodnig, 2019 Brandstätter
"The Age of Surveillance Capitalism", Shoshana Zuboff, 2019 Profile Books]

Auch der Staat begann, sich für die Nutzung des Internets zu interessieren. So werden Staatstrojaner und IMSI-Catcher verwendet, um die Kommunikation politisch Andersdenkenden zu kontrollieren.
[Quelle: https://www.nzz.ch/digital/gastbeitrag-zur-buepf-revision-vertrauen-ist-gut-dagegen-stimmen-besser-ld.14098]

Mit Überwachungskameras auf öffentlichem Grund können die Menschen dank automatischer Gesichtserkennung observiert werden.
[Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Bericht-US-Firma-sammelte-Milliarden-Fotos-fuer-Gesichtsdatenbank-4641569.html]

Unabhängiger Journalismus berichtet möglichst neutral über Politik und Wirtschaft. Das ist ein wichtiger Grundstein für Demokratie. Die Verbreitung des Internets führte zu grossen Veränderungen in der Medienlandschaft. Die Texte werden nicht mehr wie früher ausschliesslich über Zeitungen konsumiert. So versuchen Medienunternehmen, ihre Texte gegen Bezahlung oder werbefinanziert im Internet anzubieten. Doch die Werbeeinnahmen traditioneller Medien nehmen drastisch ab, weil die Werbekunden zu Google abwandern. Auch die Leserzahl nimmt ab, da sich vor allem die jungen Menschen immer mehr kostenlos über soziale Medien wie Facebook oder Twitter informieren. Die finanzielle Unterstützung des Journalismus durch den Staat wird zusätzlich laufend gekürzt.
[Quelle: "Qualität der Medien", 2019 fög/Universität Zürich]

Die Wirtschaft wird heute in allen Bereichen weltweit durch wenige globale Konzerne dominiert. In der Finanzwirtschaft bekannt sind Unternehmen wie Blackrock, Blackstone, Goldman Sachs, HSBC, Allianz. In der Realwirtschaft dominieren Unternehmen wie Nestlé, Coca Cola, Shell, Novartis, Walmart, Philip Morris.
[Anmerkung: Folgende Quellen zeigen, dass nur wenige Grossunternehmen den Grossteil des weltweiten Markts aller Wirtschaftsbereiche dominieren (Oligopole):]
[Quellen: "Wem gehört die Welt?", Hans-Jürgen Jakobs, 2016 Knaus
https://www.ted.com/talks/james_b_glattfelder_who_controls_the_world/]

Diese internationalen Grossunternehmen nehmen über Public Relations, kurz «PR» und früher auch Propaganda genannt, Einfluss auf die Konsumenten und Wähler. Häufig werden PR-Firmen damit beauftragt. Bekannte Anbieter sind Burson Marsteller, CNC und Hering Schuppener.
[Quelle: "Lobbykratie". Balser, Markus; Ritzer, Uwe. 2016 Knaur, p. 304]

Diese beeinflussen die Menschen über Social Media, und nutzen gleichzeitig auch den serbelnden Journalismus aus, indem den Medienschaffenden via «Spoonfeeding» druckfertige wirtschaftsfreundliche Texte abgegeben werden. Teils wird mit unfairen Mitteln gearbeitet, wie gezielte Verbreitung von Fake News, Falschmeldungen, Framing und Verschwörungstheorien. Solche Desinformation wird häufig verharmlosend als «andere Meinung» dargestellt. Aktuellste Beispiele dieses Phänomens sind die Präsidentschaft von Donald Trump sowie die Verbreitung von Unwahrheiten während der Corona-Pandemie.
[Anmerkung: Das Thema ist leider etwas zu kurz und deshalb etwas unverständlich geraten im Video. Trump und Corona sollen Beispiele sein, wie die rechtspopulistische Polit-PR die Stimmung "gegen die da oben" anheizt.]
[Quellen: "Postfaktisch". Hendricks, Vincent F.; Vestergaard, Mads. 2018 Blessing, p. 91
"Fake Facts". Nocun, Katharina; Lamberty, Pia. 2020 Quadriga, p. 69]

Ein weiteres wichtiges Werkzeug der Wirtschaft ist das Lobbying. Grossunternehmen verfügen in der Regel über eigene Abteilungen, die in der Politik Einfluss nehmen. Es gibt aber auch viele Anwaltskanzleien, die gegen gutes Geld anbieten, dank ihrer Vernetzung die Interessen der Klienten wahrzunehmen. Bekannte Beispiele sind Alber & Geiger, Linklaters und Freshfields. In Brüssel sind 15'000 Lobbyisten stationiert, um die Entscheide in der Europapolitik zu beeinflussen!
[Quelle: "Lobbykratie". Balser, Markus; Ritzer, Uwe. 2016 Knaur, p. 170]

In der Politik wird lang und breit darüber diskutiert, ob in den Städten Glasfasern subventioniert werden sollen, und ab welchem Alter in den Schulen Tablets eingesetzt werden. Dabei wäre es viel wichtiger, sich Gedanken zu machen, wie die Interessen der Demokratie gewahrt werden können im Zeitalter der Digitalisierung und des serbelnden Journalismus. Eine Möglichkeit wäre der verbreitete Einsatz von «Civic Tech»: unabhängige, nicht-kommerzielle Software für die direkte Kommunikation zwischen Politik und Bürgern.
[Quelle: "Smartphone-Demokratie", Adrienne Fichter, 2017 NZZ Libro]